«Das sind nicht nur Bergbauern auf der
Wiese»
erschienen in der Fabrikzeitung Nr. 240, Aril 2008
Die
Europameisterschaft bringt
für Zürich auch einen Boom im Stadtmarketing: Die
Stadt
beauftragte Zürich Tourismus mit dem internationalen
Standortmarketing in Zusammenhang mit der Euro-08. Anke Hagemann
führte ein Gespräch mit dem Projektleiter Maurus
Lauber.
AH: Was ist die Rolle von
Zürich Tourismus und was sind Ihre Aufgaben?
ML: Zürich Tourismus ist eine Marketingvereinigung, die mit
überwiegend privaten Mitteln die Destination Zürich
ins
Rampenlicht stellen will mit dem Ziel, Übernachtungen zu
generieren. Wir führen die Marke Zürich:
Den Slogan
Downtown Switzerland füllen wir seit nunmehr 7 Jahren mit
Inhalten. Zur Euro-08 können wir mit dem internationalen
Marketing
einen Nutzen ziehen aus der weltweiten Aufmerksamkeit, die dieser
Grossanlass mit sich bringt.
Wieso hat sich die Bedeutung des Stadtmarketings in den letzten Jahren
so entscheidend vergrößert?
Die Verantwortlichen in den Städten speziell in Europa kommen
langsam von der Beamtensicht weg und hin zu einer globaleren
Marketingsicht. Sie haben realisiert, dass Städte eben auch
Marken
sind, dass man sich damit als Stadt positionieren kann, und
positionieren heisst, sich von anderen klar abzugrenzen. Sowohl
internationale Firmen als auch Bevölkerungen und Besucher
kommen
eher in eine Stadt, die ein gutes Image hat. Und diese drei Zielgruppen
bedeuten bares Geld, das in die Stadt fliesst, beziehungsweise da
bleibt. Die Städte, die das entdeckt haben und aktiv
fördern,
die sind jetzt auf der Gewinnerseite.
Wie kann man denn eine
Stadt zu einer Marke machen und wie unterscheidet sich die Stadt dann
noch von einem Produkt?
Man macht eine Stadt nicht zur Marke, eine Stadt IST eine Marke. Die
Frage ist, ob man diese Marke bewusst führt. Barcelona, Las
Vegas
oder Dubai sind Städte mit einem starken Image, man weiss, was
einem da erwartet. Das ist dasselbe wie bei einem Produkt: Nehmen wir
eine Flasche Cola als Beispiel: Cola hat für mich ein Image
– und die Firma Coca Cola arbeitet daran, dass dieses Image
mir
entspricht – das ist schlussendlich Werbung für das
Produkt.
Und bei der Stadt ist es nicht anders: Wir versuchen, das Image bei
unseren Zielgruppen positiv zu kommunizieren, damit Menschen as aller
Welt nach Zürich kommen – und hier ihr Geld
ausgeben,
unsere Wirtschaft beleben und damit Arbeitsplätze schaffen. So
kommt am Schluss auch finanziell etwas heraus.
Welche unterschiedlichen
Images
existieren von Zürich – einerseits im Selbstbild,
andererseits im Image von außen und im beabsichtigten Image
des
Stadtmarketings?
Zürich hat innerhalb der Schweiz ein gutes Image. Das geht so
weit, dass man außerhalb von Zürich auch Neid
spürt.
Das Bild, das Zürich im Ausland hat, hat sich in den letzten 7
Jahren enorm gewandelt - Zürich hat sich in Europa als
Trendstadt
positionieren können, während es noch im Jahr 2000
eher als
eine langweilige Banken-, Versicherungs- und Geschäftsstadt
wahrgenommen wurde. Einer der Auslöser dafür war die
Reform
des Gastronomiegesetzes 1998 zu einem der liberalsten in ganz Europa:
Wir haben statt 600 jetzt 2000 Lokale und wir haben keine Polizeistunde
mehr, das Leben hat jetzt freien Lauf. Natürlich dauert es
seine
Zeit, bis man das auch im Ausland wahrnimmt, aber es ist mitunter
unsere Aufgabe, das zu beschleunigen.
Sehen Sie die EM als
Chance für die Stadt und worin besteht diese?
Natürlich ist es eine Chance – sonst würde
ich den
falschen Job machen. Zürich ist aktiv am
drittgrössten
Sportevent der Welt dabei, das bringt viele Projekte voran, die sonst
gar nicht möglich gewesen wären. Das Stadion
Letzigrund
wäre nicht in dieser kurzen Zeit durch alle Instanzen
gegangen,
wenn da nicht die Euro im Hintergrund gewartet hätte.
Ebenfalls
sitzen bei so einem Grossprojekt viele Leute zusammen, die vorher nie
miteinander geredet haben, ob das jetzt auf der Ebene der Sicherheit,
des Verkehrs oder des Marketings ist. Man wird gemeinsam stark, auch
für die Zeit nach der Euro.
Ist das nicht auch ein
Spagat? Die
Euro ist ein Event, das von außen kommt und vorgegebenen
Regeln
folgt und gleichzeitig will man es an die Stadt ankoppeln?
Das ist wie Weihnachten: Der Rahmen ist gegeben, aber jeder macht das
beste daraus. Und wir in Zürich können sagen: Wir
wollen
unsere Fanmeile da, wo sich der Gast aus dem Ausland, die Fans und die
Medien befinden, an attraktivster Lage im Zentrum, direkt am See.
Gibt es keinen
Widerspruch zwischen dem Fussballevent und der
«Edelmarke» Schweiz?
Kein Problem – wenn man sieht, was ein Ticket kostet, sind
wir
sowieso im Luxus-Segment. Die Schweiz ist eigentlich das Pionierland im
Tourismus und spielt die Rolle als Gastgeber schon seit vielen hundert
Jahren aktiv, damit ist der Anlass genau im richtigen Land. Die Schweiz
steht ja für Attribute wie perfekte und zuverlässige
Organisation.
Hofft man denn, mit dem
Fußball das Image der Schweiz in eine bestimmt Richtung
korrigieren zu können?
Auf alle Fälle. Nach der Weltmeisterschaft in Deutschland hat
sich
das Public Viewing definitiv durchgesetzt – die Leute feiern
auf
der Straße und die Medien berichten darüber. Und das
kann
sicher auch von der Schweiz ein neues Bild vermitteln: Das sind nicht
nur Bergbauern auf der Wiese, sondern das sind junge,
fröhliche,
aufgestellte Menschen, die das in den Stadtzentren zelebrieren.
Wie sehen Sie die
Höhe der
Ausgaben zu der Messbarkeit oder Bezifferbarkeit der Erfolge? Stellen
Sie solche Rechnungen überhaupt an?
Wir haben keine Instrumente, solche Rechnungen anzustellen, aber wir
sind überzeugt, dass das EM-Marketing eine
langfristige
Investition ist. Von der Tourismusseite sind wir uns sogar bewusst,
dass wir im Juni 2008 wohl weniger Gäste haben werden als im
Juni
2007 – trotz Euro. Der ganze Geschäfts- und
Kongresstourismus findet dieses Jahr im Juni kaum in Zürich
statt,
was für uns bedeutet, dass wir kurzfristig nicht als Gewinner
vom
Platz gehen. Aber unser Ziel ist es ja, Zürich langfristig
positiv
zu positionieren, und die Euro ist dafür das Sprungbrett.
Sie nutzen die Euro als
Sprungbrett,
aber gleichermaßen nutzt ja auch die Uefa die
Städte, indem
die Stadt die Infrastruktur stellt und indem sie die Stadt als
Werbefläche für ihre Sponsoren benutzt. Sehen Sie das
als
eine Win-Win-Situation von gleichwertigen Partnern?
Ich denke, da gibt es ein Ungleichgewicht, und das ist richtig so. Die
Uefa hat den Event, bei dem jeder dabei sein will, damit ist sie am
längeren Hebel. Die Uefa kann sich die Partner aussuchen und
die
Bedingungen machen. Die Städte müssen das
akzeptieren. Aber
die Uefa gibt Geld ans Public Viewing und an den öffentlichen
Verkehr, damit man mit dem Eintrittsticket 36 Stunden Bahn fahren kann.
Das sind ganz neue Formen der Zusammenarbeit, die zum Schluss
tatsächlich ein Win-Win ergeben, auch wenn das eine Win
vielleicht
in Großbuchstaben geschrieben ist und das andere in
Kleinbuchstaben.
Hätten Sie denn
Probleme damit,
wenn Bilder in der ganzen Welt erscheinen, wo Großsponsoren
wie
Coca-Cola oder Mc Donald’s den Vordergrund bilden und
Zürich
nur im Hintergrund steht?
Damit habe ich kein Problem. Es ist natürlich auch eine
positive
Unterstützung, dass Weltmarken auf Zürich setzen und
hier
auch investieren. Das ist, als ob Sie sich ein Magazin anschauen und
darin hat es überhaupt keine Inserate, oder nur billige,
selbstgemachte. Es ist schliesslich nicht keine lokale
Heizungsmonteurfirma, die hier Werbung macht, sondern das sind
Weltmarken. Und die würden wohl nicht im selben Maße
zum
Beispiel in Bagdad Geld investieren.
Januar 2008

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